Andacht zumToten- bzw. Ewigkeitssonntag

Psalm 90,12
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben
müssen, auf dass wir klug werden.“


An die eigene Endlichkeit denken,
kann uns in Angst versetzen und
Druck machen. Was will ich noch in
meinem Leben erreichen? Ich könnte
etwas Wichtiges verpassen! Und tatsächlich,
im Internet und in den Bücherregalen
springen etliche auf diese
Todesangst auf mit sogenannten
bucket lists oder frei übersetzt
„Löffellisten“.
Ein Beispiel: „40 wichtige Dinge, die
auch du in deinem Leben unbedingt
gemacht haben solltest, bevor du den
Löffel abgibst!“ oder „99 Dinge, die
man im Leben ultimativ getan haben
sollte.“ und die Zahl lässt sich beinah
ins Unendliche erhöhen: Von 254 oder
gar 500 Dingen ist da die Rede. Zugegeben,
sie sind oft so übertrieben oder
willkürlich, dass man sie nicht
ernst nehmen kann. Z.B.: Bereise alle
Länder der Welt, die mit A anfangen.
Warum nicht mit P wie Puerto Rico?
Manche sind richtig anregend: Auf
einer Wiese liegen und Wolkenbilder
finden. Dafür nehmen wir uns wohl
tatsächlich zu wenig Zeit! Manche
sind echt süß: Einen Igel im Keller
überwintern lassen.
Aber einmal abgesehen von solchen
recht willkürlichen Lebenszielen haben
wir alle welche. Mehr oder weniger
bewusst leben wir danach. Eine Familie
gründen gehört klassisch oft dazu
oder ein Haus ausbauen. Jede und
jeder hat noch seine ganz persönlichen
Lebensziele. Sie verändern sich
auch im Laufe des Lebens.
Ein 76-Jähriger hat andere als eine
18-Jährige.
Aber es kommt vor, dass wir unsere
Sterblichkeit spüren, wie es der Psalm
sagt. Dabei denke ich nicht vordergründig
an den Tod, sondern an Abschiede
von uns Wichtigem: Ein Lebenstraum
zum Beispiel oder ein Teil
meiner Gesundheit. Es kann auch ein
großer materieller Verlust sein oder
die gute Beziehung zu jemandem.
Immer dann ragt unsere Sterblichkeit
in unser Leben, eine Verbindung zum
Leben reißt ab. Aber wie gehen wir
mit dem um, was für uns unwiederbringlich
verloren ist? Was heißt dabei
„klug werden“?
Eine christliche Antwort gibt uns Paulus
im ersten Korintherbrief, Kapitel
drei. Er schreibt da: Denn niemand
kann ein anderes Fundament legen als
das, das schon gelegt ist. Und das ist
Jesus Christus. Es spielt keine Rolle,
womit auf dem Fundament weitergebaut
wird: mit Gold, Silber oder Edelsteinen,
Holz, Heu oder Stroh. Es wird
sich zeigen, was das Werk eines jeden
Einzelnen wert ist. […]
Verbrennt das Werk, wird er seinen
Lohn verlieren. Er wird zwar gerettet
werden – aber nur wie jemand, der
gerade noch dem Feuer entkommen
ist.
(1. Korinther 3,11-13a.15 Basisbibel)
Aus christlicher Sicht können wir tatsächlich
unser Lebensziel verfehlen.
Und es ist gar nicht, wie die Löffellisten
vermuten lassen, dass ich mir
selbstgesteckte Ziele erfüllen muss.
Es ist das, was Gott für mein Leben
möchte und besteht in der Christusnachfolge.
Das reicht von den allgemeinen
Zielen, Gottes Gebote zu halten
und ihn durch meine Taten und
Einstellung zu ehren. Bis hin zu den
ganz persönlichen Aufgaben, die Gott
mir gibt. Diese erkenne ich, wenn ich
Gott darum bitte.
Aber auch hier kann ich manchen Ansprüchen
nicht gerecht werden, kann
Lebensziele verfehlen. Dann, wenn ich
mich am Ende meines Lebens vor Gott
verantworten muss. Tatsächlich kann
mein Lebenswerk bildlich gesprochen
verbrennen, es für wertlos oder sogar
schädlich beurteilt werden. Von anderen,
von mir, von Gott.
Und trotzdem ist damit noch nicht alles
verloren. Ich selbst bin es nicht. Jesus
Christus hat sich mit mir fest verbunden.
Mit seiner Auferstehung von den
Toten hat er meiner Sterblichkeit den
letzten düsteren Ernst genommen.
Mögen alle Verbindungen zu einem
erstrebenswerten Leben zerreißen.
Eine Verbindung bleibt: Die zu Jesus
Christus, den von den Toten Auferstandenen.
In der Taufe wird mit mir
diese Verbindung festgemacht und im
Abendmahl gestärkt. Im Vertrauen auf
Christus trägt sie mich wie ein fester
Grund, von dem Paulus spricht. Dieser
Halt tröstet in den Verlusten des Lebens.
Er hilft, gelassen und befreit ein
gottgefälliges Leben zu suchen und
über manchen Anspruch an ein angeblich
perfektes Leben entspannt zu lachen.
So leben wir klug mit unserer Sterblichkeit.
Pfarrer P. Pohle